
Von der Besetzung eines Schlachthofs zum Symbol der Alternativkultur: Die Arena ist mittlerweile fixer Bestandteil der Wiener (Subkultur-)Szene. Das war nicht immer so. Denn die Geschichte des Veranstaltungsortes ist durch einen ständigen Kampf um die Erhaltung des Betriebs auf dem historischen Areal geprägt. Durch die zunehmende Besiedelung des einstigen Industriegebiets steht der Verein „Forum Wien- ARENA“ vor neuen Herausforderungen.
Von Miriam Al Kafur und Julia Grassinger
U3 Station Erdberg. Auf dem Weg in die Baumgasse 80 wirken die Straßen verlassen und flankiert mit grauen Bürokomplexen und Industriebauten. Der Wind trägt den Lärm der nahen Autobahn herüber, doch sonst herrscht hier Stille. An einer Straßenkreuzung erblickt man ein Gebäude, das nicht in die Szenerie passt: ein Backsteinbau mit hohem Rauchfang und Graffiti an den Wänden – die Arena Wien. Die Eventlocation hebt sich markant von ihrer tristen Umgebung ab. Hinter ihr ragen moderne Wohntürme hervor – eine irritierende Mischung aus urbaner Verdichtung und nostalgischer Industriekultur.
„Da lag was in der Luft“
Die Ursprünge der Arena reichen bis in den Sommer 1976 zurück. Nach einem Konzert der Band „Misthaufen“, die im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Arena“ der Wiener Festwochen spielten, gingen viele der Besucher:innen nicht mehr nach Hause. Das Areal des brach liegenden „Auslandsschlachthofes“, der Teil der Schlachthausanlage St. Marx war, wurde besetzt. „Tausende Jugendliche aus allen Teilen der Stadt strömten nach Erdberg, jeder erzählte es seinen Freunden weiter, da passierte etwas, da lag was in der Luft“, schreibt Günther Holtschik, der über 20 Jahre in der Arena gearbeitet hat, in seiner Biografie mit dem Titel „Günther. Giftler, Gammler, Plattensammler“.
Neben Jugendlichen besuchten Menschen aus allen sozialen Verhältnissen und Altersgruppen in den Monaten darauf den Auslandsschlachthof. Es entstand eine zu dieser Zeit revolutionäre Form der Gemeinschaft: Es gab Werkstätten, ein Frauenhaus und zahlreiche Kunstprojekte – alles selbstverwaltet durch die Besetzer:innen.
Kampf um den Schlachthof
Die Besetzung entstand aus einer tiefen Unzufriedenheit der Wiener:innen. Denn die Stadt Wien wollte das Gelände an die Textilkette Schöps verkaufen und somit privatisieren. Während die Stadt vor allem Hochkultur wie die Lipizzaner in der Hofburg finanziell förderte, gab es für alternative Kunst und Jugendkultur weder Geld noch Raum. „Der Schlachthof darf nicht sterben!“, lautete eine der Parolen, die auf Plakaten und Flyer zu lesen war. Mehr als hunderttausend Menschen strömten in den wenigen Monaten auf das Gelände, „ohne Internet, ohne Handy organisierte sich eine Generation, die etwas verändern wollte“, erinnert sich Holtschik. Es war eine Bewegung, die zeigen wollte: Wir haben eine Stimme, und wir wollen gehört werden.


Besetzer:innen in der Arena 1976
Die „Arenauten“, wie sich die Besetzer:innen selbst nannten, hatten ursprünglich gehofft, das Areal des Auslandsschlachthofes als Ort für Kunst und Kultur nutzen zu können. Doch ihre Pläne wurden durchkreuzt: Nach 101 Tagen Besetzung wurden die Hallen abgerissen und das Gelände verkauft. Die Enttäuschung war groß, doch die Bewegung blieb entschlossen. Ein Jahr lang verhandelten die Besetzer:innen mit der Stadt Wien. Am Ende fanden sie einen neuen Platz: den „Inlandsschlachthof“, der ebenso Teil der Schlachthausanlage St. Marx war, in der Baumgasse 80. Hier wurde die Idee einer Kulturstätte schließlich Wirklichkeit.
Zusammenfassung der geschichtlichen Hintergründe:
- 1848: Eröffnung der Schlachthausanlage „Central-Viehmarkt“ in St. Marx
- Juni 1976: Besetzung des „Auslandsschlachthofes“ bei einer Veranstaltung der Wiener Festwochen
- Oktober 1976: Abriss des „Auslandsschlachthofes“
- 1977: Eröffnung der Arena am Gelände des „Inlandsschlachthofes“ (ehemaliges Schweineschlachthaus)
- 2026: 50-jähriges Jubiläum + Erscheinung einer Publikation zur Geschichte des Areals
Die „Videogruppe Arena“ produzierte während der Besetzung 1976 den Film „ARENA BESETZT“
Neuer Ort, alter Spirit
Jeder soll teilhaben können – dieser Grundsatz prägt die Arena seit ihrer Entstehung. „Die Besetzung war erfolgreich. Du bist nur dann nicht erfolgreich, wenn du aufgibst. Und die Besetzer:innen haben nicht aufgegeben. Natürlich wurde das ursprüngliche Areal abgerissen, aber die Idee ist ja nicht abgerissen worden“, sagt Constanze Czutta. Die Kunsthistorikerin forscht seit elf Jahren über die Arena und arbeitet aktuell an einem Buch über den Veranstaltungsort.
Denn die Arena ist nicht gewinnorientiert, sondern ein ideeller Verein mit circa 100 Mitgliedern. Die Statuten haben sich seit der Gründung kaum verändert. Die Arena versteht sich selbst als basisdemokratisch. Das bedeutet: Jede:r der ungefähr 50 aktiven Mitarbeiter:innen ist Mitglied und in wichtige Entscheidungen des Vereins eingebunden. Denn durch einen „Arbeitsgruppenrat“ werden Belange der Mitarbeiter:innen gegenüber dem Vorstand vertreten. Dieser basisdemokratische Ansatz spiegelt die Motivation der ursprünglichen Besetzer:innen wider und ist bis heute die Grundlage für die Arbeit der Arena.



Original Fassade Inlandsschlachthof
Indoor Bereich große Halle
Mainstage Indoor
Eine Bühne für Kleinkunst
Die Arena ist nicht nur Heimat großer Konzerte und populärer Musiker:innen, sondern auch ein Ort für aufstrebende Künstler:innen. Neben den In- und Outdoor-Mainstages bietet sie vor allem für kleinere Acts viele Möglichkeiten. Im Arena Beisl oder im DreiRaum finden regelmäßig Events wie z. B. der Punkmontag statt, wodurch jungen Musiker:innen eine Bühne geboten wird. Darüber hinaus stehen günstige Proberäume zur Verfügung, die für viele Bands der erste Schritt in die Musikszene sind.
Die US-Band Nirvana am 14. November 1991 mit Lead-Sänger Kurt Cobain
Von internationalen Stars wie Katy Perry oder Nirvana bis zu kleinen Punkbands – die Arena ist ein Ort für alle. Die Kulturwissenschaftlerin Birgit Peter betont, dass Orte wie die Arena essenziell für das soziale Gefüge einer Großstadt sind: „Subkultur schafft Gemeinschaft und bietet Platz für kreative Ideen. Ohne diese Orte verliert eine Stadt ihre Diversität und Innovation.“ Alternative und selbstverwaltete Räume wie die Baumgasse 80 sind heute akzeptierter als zu Zeiten ihrer Besetzung. Doch die Probleme der letzten Jahre zeigen: Ihr Platz in der Gesellschaft ist ihnen nie sicher.
„Subkultur schafft Gemeinschaft und bietet Platz für kreative Ideen. Ohne diese Orte verliert eine Stadt ihre Diversität und Innovation.“
Birgit Peter
Täglich (neue) Herausforderungen
Die Stadterweiterung und Verdichtung des 3. Bezirks ist für die Existenz der Arena eine neuerliche Belastungsprobe. Durch den Bau der Wohntürme „The Marks“, die genau dort stehen, wo der „Auslandsschlachthof“ war, kamen Beschwerden wegen Lärmbelästigung auf. „Früher war die Arena in einem Industriegebiet, wo es kaum jemanden störte, wenn es lauter wurde. Mit den Wohntürmen in unmittelbarer Nähe treffen unterschiedliche Interessen aufeinander. Es gab sogar die Befürchtung, dass die Arena langfristig schließen könnte, wenn keine Lösung gefunden wird“, so die Lokaljournalistin Hannah M.
Mit der finanziellen Unterstützung der Stadt Wien konnte der Konflikt gelöst werden. Im April 2024 wurde eine neue Soundanlage installiert, die eine Reduktion der Lautstärke um die Hälfte verspricht. Die Bewohner:innen konnten eine Verbesserung der Lärmbelästigung bereits wahrnehmen. Während eines Open-Air-Konzertes in der Arena im Mai 2024 erzählte der Anrainer Assad L. der Tageszeitung Die Presse: „Es ist schon um einiges besser. Das ist wirklich okay.“
Widerständig in die Zukunft
„Arena für immer“ – das war das Motto der Besetzer:innen. Ob dieser Wunsch in Erfüllung geht, ist ungewiss. Die Arena hat in den letzten Jahrzehnten ihre Anpassungsfähigkeit bewiesen, ohne ihren ursprünglichen Charakter zu verlieren. Trotz immer neu aufkommenden Herausforderungen ist mittlerweile klar: Die Arena ist ein unverzichtbarer Teil der Wiener Kulturszene. Doch um sie zu erhalten, braucht es Menschen, die widerständig sind. Menschen, die nicht aufgeben, Räume wie diesen zu erhalten.
Daten und Fakten über die Arena
- Heute ist die Arena eine bekannte Veranstaltungslocation. Sie bietet Raum für verschiedene Musikrichtungen
- Sie verfügt über einen Open-Air-Bereich, der besonders im Sommer für Konzerte genutzt wird. Dieser bietet Platz für bis zu 3.000 Besucher:innen.
- Die Location wird vom Verein „Forum Wien – ARENA“ betrieben, der bis heute basisdemokratische Strukturen hat
- Adresse: Baumgasse 80, 1030 Wien
- Weitere Informationen gibt es auf der Homepage der Arena

© Magdalena Hronek
Weiterführende Links:
- Biografie von Günther Holtschick: „Günther. Giftler, Gammler, Plattensammler. Eine Biografie“, geschrieben von Andi Appel
- Zur Geschichte der Arena Wien: „Von der Kuhweide zum Kulturverein“, geschrieben von Constanze C. Czutta
- Zur Geschichte der Besetzung der Arena Wien: „1976: Die Arena-Besetzung“, geschrieben von Martina Nußbaumer
- Zum Film über die Arena Besetzung: „Arena besetzt“, produziert von der Videogruppe Arena
(Josef Aichholzer, Ruth Beckermann, Franz Grafl)